Gifte

Umweltgifte - Gefahr für die menschliche Existenz?

Vorwort:

Es gibt bislang noch keine didaktisch aufbereitete Schrift, in welcher die Rolle der Umweltbelastungen für die Gesundheitserhaltung der Menschen behandelt wird. Oder wie man Umweltbelastungen des menschlichen Organismus erkennt, vermeidet oder beseitigt.

Bild 1: Chronische Vergiftungen des Gesamtorganismus bewirken polychlorierte Biphenyle, polycyclische Aromaten und chlorierte Kohlenwasserstoffe

Der exakte wissenschaftliche Nachweis chronischer Schädigungen des Menschen durch Umweltgifte dauert mindestens eine Generation oder noch länger. Daher kommt die Vermeidungs- oder Verhinderungsstrategie, damit aber auch der Behandlungsbeginn von durch schleichende Umweltgifte verursachte Erkrankungen stets zu spät. Deshalb sollten auch Hinweise auf eine mögliche Gefahrenquelle, die man durch viele Beobachtungen glaubt entdeckt zu haben, ernst genommen werden. Ein Beispiel für den Erfolg vorbeugender Maßnahmen zeigt die Einführung der Entsorgung der Städte von Abfall, die verstärkte Körperpflege, die Chemotherapie von Infektionskrankheiten, der Einsatz von Pestiziden sowie neuer Lebensmitteltechnologien gegen Ende des vorigen Jahrhunderts an der sprunghaft angestiegenen Lebenserwartung. Man erinnere sich, die Lebenserwartung betrug in Deutschland zwischen 1870 und 1880 bei Männern 36 Jahre, bei Frauen 38 Jahre; Einhundert Jahre später lagen die Zahlen bei 67,4 und 73,8 Jahre und sie steigt bei uns in Deutschland bis zum heutigen Tag. Allerdings nimmt die Zahl der umweltbedingten Schädigungen wie Nervosen, Depressionen, Magen- und Darmerkrankungen, Allergien, Krebs sowie Kreislauferkrankungen zu. Trotz Opferung von sehr vielen Versuchstieren, kann man bis heute die schleichende Wirkung der unzähligen Umweltgifte, die auf unseren Körper einwirken, nicht eindeutig ausmachen. So hat es Jahrzehnte gedauert bis die Gefährlichkeit von Asbest, Pentachlorphenol, Formaldehyd, bestimmter Pestizide oder die von Verbrennungsanlagen ausgestoßener Giftgase und giftigen Aerosole und Stäube in ihrer Reichweite erkannt worden sind. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Tausende belastet oder sogar vergiftet.

Woher kommen die kleinen Giftmengen in der Umwelt?

Seit Beginn des menschlichen Lebens auf der Erde gibt es eine Reihe von Umweltgiftstoffen natürlicher Herkunft, z. B. Erze, vulkanische Exhalationen, Radionuklide aus der Uran und Thorium Zerfallsreihe, extraterrestrische Strahlung, Pflanzengiftstoffe, Tiergifte, Viren und Stoffwechselprodukte der Bakterien. Die Entwicklung der Zivilisation und das Wachstum von Handwerk und Industrie, die Einführung modernster Produktionsmethoden in der Landwirtschaft machte neben den natürlichen Stoffen den Umgang mit künstlichen Farbstoffen, Lösungsmitteln, Werkstoffen, Medikamenten und anderen Substanzen notwendig. Dadurch werden Umweltschadstoffe als auch Giftstoffe verbreitet, die die Menschen vor allem in jüngster Zeit immer stärker belasten und zu Schädigungen ihrer Gesundheit führen. Bleivergiftungen sind schon aus der Römerzeit bekannt. Schon der Römer VITRUVIUS weist auf die Nachteile des Wassertransports in Bleirohren im Vergleich zu Tonrohren hin. Im Mittelalter sind die Probleme durch Bleivergiftungen der Hüttenarbeiter so stark geworden, daß erste Vorschriften für die Verhütung von Berufskrankheiten erlassen wurden. Mit dem Wachstum der Fertigungsindustrien und der chemischen Industrie seit Mitte des 18. Jahrhunderts fand ein großer Zuwachs an Arbeits- und Umweltgiftstoffen statt, aber erst heute sind manche der neuen chronischen Erkrankungen zu erkennen und entsprechende Schutzmaßnahmen möglich.

Erst die exakten Nachweismethoden der modernen Naturwissenschaften ermöglichen das Aufdecken und Eingrenzen der Gefahren. Beispielsweise können heute, dank der Technik, die Wohngifte, die Gifte in der Kleidung, die auch über die Haut aufgenommen werden, Gifte in den Lebensmitteln schon in geringen Spuren ermittelt werden. Durch die Spurenanalytik werden fortwährend weitere Umweltgifte aufgedeckt. Beispielsweise nach Einführung der Katalysatoren im Automobilbau, die Edelmetalle Platin (Pt) und Palladium (Pd), die aus den Autokatalysatoren freigesetzt werden. Aus einem Katalysator werden ca. 150 mg Pt pro 100 000 gefahrene Kilometer freigesetzt. Man konnte nachweisen, dass Palladium im menschlichen Gehirn gespeichert wird. Platin findet bei der chemotherapeutischen Krebsbekämpfung Anwendung, daher interessiert die Bestimmung von Platin in Körperflüssigkeiten und Gewebeproben, man weiß im Moment noch nicht genau, was mit dem Platin im Körper geschieht und wo dieses deponiert wird. Im folgenden wird der Schwerpunkt der Darlegungen absichtlich auf die schleichenden Gifte in unserer Umwelt gelegt. Denn der chronischen Vergiftung sind wir in allen Lebensbereichen ausgesetzt, ohne dass es uns immer bewusst wird. Beim Arzt nehmen wir sie durch die Medikamente auf, die er verschreibt. Beim Zahnarzt in Form von Amalgamfüllungen, mit denen er die Löcher in unseren Zähnen plombiert und die in Spuren Quecksilber freisetzen. In unseren Wohnungen strömen radioaktive Gase aus den Wänden, giftige aus dem behandelten Holz der Balken oder der Möbel. In unserer Nahrung finden sich Reste von Pestiziden oder auch vielerlei Pflanzengifte, neben den giftigen Ionen von Säureresten und Metallen. Das Trinkwasser ist durch Lösungsmittel, Salze und Pflanzenschutzmittel belastet. Die Atemluft enthält Stäube, an die Dioxine, Furane und andere Aromaten angelagert sind sowie weitere schädliche Gase wie Schwefeldioxid, Nitrosegase, Kohlenmonoxid, Ozon und Dämpfe von Benzol, Chlorkohlenwasserstoffe und vieles andere mehr. Im Freien werden wir von intensiver UV-Strahlung getroffen, die mehr und mehr ungefiltert durch unsere Atmosphäre dringt.

Gift und Leben

Fast man den Begriff Gift sehr weit, dann sind letztendlich alle mit dem Organismus in irgendeiner Form agierende Energien und Stoffe schädlich. Schließlich ist es eine bekannte Tatsache, dass eine gewisse Strahlendosis oder ein geeignetes Molekül zur rechten Zeit am rechten Platz irreversible Veränderungen im Zellkern oder der Erbsubstanz oder letztlich am Molekülbau eines betroffenen Teilchens hervorruft. Es ist mithin unlogisch, derart auftretende Wechselwirkungen zwischen Materieteilchen oder Materie und ihrer dualen Erscheinung, der Energie, bei der Giftdiskussion unberücksichtigt zu lassen. Wenn Paracelsus auch vor fünfhundert Jahren nicht wissen konnte, dass seine Aussage: “Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, daß ein Ding kein Gift ist“, bis herab zur Konzentration eines einzelnen Moleküls, Gültigkeit besitzt. Am Wahrheitsgehalt seiner Aussage hat sich nichts geändert. Denkt man diese Aussage konsequent zu Ende, dann ergibt sich der Schluss:

 Die mittlere Lebenserwartung ist das Ergebnis einer lebenslangen Intoxikation.

Im Gegensatz zur mittleren Lebenserwartung scheint die maximale Lebensspanne eine artspezifische Konstante zu sein. Wenn dies zutrifft, ist diese im Genom verankert. Bis dato existieren unterschiedliche Alternstheorien, aber keine von ihnen blieb unwidersprochen. Alle bisherigen Forschungsergebnisse machen deutlich, dass der Prozess des Alterns und das Vorliegen einer definierten maximalen Lebensspanne das Ergebnis von zwei verschiedenen Wirkungsmechanismen sein kann:

    a) Eines genetisch vorgegebenen Lebensprozesses, der in einem Individuum unabhängig von seiner Umwelt abläuft und

    b) stochachtische (zufallsbedingte) Prozesses, die durch Einwirkungen auf das Individuum ausgelöst werden, die aber durch genetisch bedingte Lebenserhaltungsprozesse abgefangen werden können.

Eine Entscheidung darüber, welcher von diesen Mechanismen oder ob beide die Lebensdauer eines Individuums bestimmen, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.

Ebenso wenig ist geklärt, inwieweit eine künstliche, von der Technik beherrschte Umwelt für das menschliche Leben von Nachteil ist, solange nur die lebensnotwendigen Parameter erhalten bleiben.

Mit einer letzten Bemerkung soll zu den einzelnen Kapiteln übergeleitet werden, in welchen die Problematik der Umweltgifte dargelegt wird. Es wird in der letzten Zeit immer deutlicher, dass die Intensität der Umweltveränderung durch die Menschen in allen Dimensionsstufen rasend zunimmt. Die Menschheit ist mit der ihr in zunehmendem Maße zur Verfügung stehenden Technik in großen Räumen der Erde zum entscheidenden Prägefaktor geworden. Nicht die natürlichen Geofaktoren, sondern die Menschen prägen immer mehr die Erdoberfläche und verändern die Energie- und Stoffströme.

Die Problematik des Nachweis schädlicher Wirkungen von kleinen Giftdosen

Die Wirkung von sehr kleinen Dosen der Schadstoffe manifestiert sich in einer nur geringfügig gesteigerten Häufigkeit einer bestimmten Krankheit, meist weniger als 1 Fall Pro 1000. Aus diesem Grund müssen klassische Tierversuche ausgeschlossen werden, da eine große Zahl von Tieren benötigt würde, um minimal signifikante Ergebnisse zu erzielen. Außerdem treten Unterschiede der Toxizität eines Schadstoffes zwischen verschiedenen Tierspezies auf, die möglicherweise auf verschiedene Stoffwechsel und Biokinetiken zurückzuführen sind, wodurch eine Extrapolation der Ergebnisse aus Tierexperimenten auf Menschen sehr fragwürdig erscheint. Diese Probleme sind am Beispiel Dioxin sehr gut dargestellt. Tabelle 1 zeigt den Unterschied für die hochgiftige Verbindung 2,3,7,8-Tetrachlor-p-benzodioxin (TCDD) von mehr als drei Größenordnungen in Experimenten zur Bestimmung der LD50 in verschiedenen Tierspezies. Das ist die Dosis, bei der 50% der behandelten Tiere innerhalb von 30 Tagen sterben.

                                              

Spezies

LD50 µg/kg

Auf einen 70 kg Mensch bezogen wären dies in (mg)

Meerschweinchen 

0,6 - 2,0

0,042 - 0,1

Ratte 

25 - 60

2

Rhesusaffe

70 

5

Kaninchen 

115

8

Maus

114- 284

8-20

Beaglehund 

200-300

14 - 21

Hamster 

1157- 5051

80 - 335

Mensch

??25

??2

    Tab. 1: Die akute orale Toxizität von Dioxin in verschiedenen Säugetierspezies  Nach Polger und Schlatter, Chemosphere 12, 453 - 462, 1983

Direkte Beobachtungen am menschlichen Organismus sind nur dann möglich, wenn ein Unfall geschieht, wie zB. die Freilassung von TCDD in Seveso (Italien in 1976). Aber meist ist auch bei diesen Vorfällen die Anzahl der kontaminierten Menschen glücklicherweise zu klein, um statistisch eindeutige Ergebnisse zu gewinnen. Bei diesen Unfällen, insbesondere bei chemischen Vergiftungen, sind die Dosen, denen jeder einzelne Mensch ausgesetzt war, nicht bekannt oder nicht zu berechnen. Daher kann auch keine Information über Dosis-Wirkungs-Beziehungen gewonnen werden.

Um die Risiken einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit durch Langzeitexposition gegenüber kleinen Mengen an Schadstoffen in der Umwelt realistisch berechnen zu können, wird sowohl die Kenntnis der Mechanismen zur Entstehung aller relevanten Krankheiten benötigt, als auch eine genaue mathematische Beschreibung der Dosis-Wirkungs-Verhältnisse. Des weiteren werden brauchbare Informationen über mögliche Wechselwirkungen verschiedener Giftstoffe untereinander bzw. der Giftstoffe mit natürlicher Ernährung benötigt. Diese Informationen zu erhalten ist eine enorme Aufgabe, für die nicht nur viel Zeit und Geld sondern auch neue experimentelle und theoretische Ansätze benötigt werden.

Die Wirkungen von kleinen Mengen an Schadstoffen können theoretisch unterschiedlich erklärt werden. Der Schadstoff kann sich möglicherweise gleichmäßig im ganzen Körper verteilen und sehr kleine Schäden in fast allen Zellen hervorrufen. In einem solchen Fall kann der Schaden so geringfügig sein, daß keine wesentliche Funktion der Zelle beeinträchtigt wird. Wenn keine Reparaturprozesse vorhanden sind, können sich diese kleinen Schäden durch Kumulation addieren und nach einer Latenzzeit zu einer Störung zellulärer Funktionen führen, die sich letztlich als schweres Krankheitsbild manifestieren könnten. Andererseits kann der Schadstoff aber auch eine Organ-, Gewebe- oder Zell-Spezifität aufweisen und nur die betroffenen Stellen im Organismus werden geschädigt. Als Beispiel sei die Entstehung der Lungenfibrose genannt, eine schwere Beeinträchtigung der normalen Lungenfunktion durch die Bildung von fibrotischem Gewebe nach Inhalation von mineralischen Stäuben wie Asbest oder Quarz.

 Ein sehr wichtiges und noch offenes Problem ist die Frage nach dem Ausmaß der Reparaturmöglichkeiten in der Zelle. Wie hoch kann also eine Belastung sein, ohne daß eine erkennbare Beeinträchtigung wesentlicher Zellfunktionen vorliegt, d. h. gibt es überhaupt einen Schwellenwert für die Konzentration eines Schadstoffes bis zu dem keine Krankheit verursacht wird, oder steigt die Wahrscheinlichkeit einer schweren Spätfolge mit der aufgenommenen Dosis an? Im Fall eines vermuteten Schwellenwertes kann es dann möglich sein, daß bei einer sehr kleinen Dosis die Latenzzeit für die Manifestation einer Krankheit größer ist als die noch verbleibende Lebenserwartung des Individuums. 

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